Wednesday, May 17, 2006

Der Fisch zum Film




Da ist er also. Der Predator. Der Fisch, um den sich alles dreht in Mwanza. Vor 60 Jahren haben sie ihn in den See eingesetzt, und er hat sich in seiner neuen Umgebung glänzend geschlagen, zu tausenden und abertausenden ziehen sie die Viecher ans Ufer und tragen ihn in die Fabriken. Leider war der Aufschwung des Barschs gleichbedeutend mit dem Kollaps des restlichen Fischbestands, denn nach und nach hat man immer weniger Exemplare der anderen Arten gesichtet, bis ein Gutteil von ihnen schließlich ganz verschwunden ist. In den Bäuchen des Barschs. Immerhin tummelt sich aber wohl noch genügend Kleinvieh im See herum, um den Predator zu alimentieren, denn bekanntlich ernährt er sich nicht von Algen und Wasserhyazinthen. Meine persönliche Theorie ist übrigens, dass sich die restlichen Gattungen in die Mitte des Sees geflüchtet haben und erst nach der zu erwartenden Überfischung des Barschs wieder in Ufernähe trauen.

Obwohl sich in Mwanza alles um den Barsch dreht, findet man ihn überraschenderweise nicht auf den Speisekarten der Restaurants. Der Barsch, das aristokratische Tier, hält sich nicht lange in der Stadt auf; nur die Köpfe und Gräten bleiben vor Ort, der Rest geht nach Europa oder in angrenzende Länder zur Verarbeitung. Wären ja auch schön blöd, das Devisenvieh selbst zu verzehren. Selbst das beste Hotel der Stadt heißt nicht Perch, sondern Tilapia, und serviert auch nur ebendiesen. Während jedoch der Barsch das imposanteste und mächtigste Tier ist, ist der Tilapia das kläglichste und läppischste. Aber alles Betteln hilft nichts: Wer einen Barsch will, muss ihn selbst in der Fabrik kaufen und in einer Kühlbox ins Hotelrestaurant bringen. 5 Kilo zu 15 Dollar.

Den Film zum Fisch (Darwins Albtraum) haben hier die wenigsten gesehen. Allerdings kennt jeder Taxifahrer die regelmäßig einfliegenden russischen Piloten sowie die Fischbarone von Mwanza, die meisten davon Inder, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und das nötige Kleingeld besaßen, um aus dem Barschexportwahn Kapital zu schlagen. Die Barone residieren nun feine Villen in den besten Gegenden der Stadt, die Russen (wie auch wir) im Hotel Tilapia. Es sei ihnen und uns gegönnt. Das Tilapia ist derart schön gelegen (mit Blick über den See bis zur gegenüberliegenden Fischindustrie), dass man über die beklagenswerte Qualität der Zimmer und der Küche nicht lange jammert. Heute früh sah man beim Frühstück sogar ein müdes Krokodil vorbeitreiben. Die Russen, die Entwicklungshelfer und das Hotelpersonal standen gaffend am Seeufer. Wir, die Predatoren, haben nur mit den Achseln gezuckt. Bald werden auch wir einen Barsch in die lokale Finanzindustrie setzen...

Morgen zurück nach Dar.

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