Sunday, September 24, 2006

Die uritalienische Katastrophe.



Die uritaliensche Katastrophe ist ein Hochgeschwindigkeitszug, der so viel Verspätung hat (am Ende 140(!) Minuten, dieses Photo zeigt nur einen Zwischenstand), dass man mit dem um fast 10 Euro billigeren Bummelzug schneller am Ziel gewesen wäre. Die uritalienische Katastrophe ist ein verwaister Vorort- bzw Umsteigebahnhof, auf dem es nichts zu tun gibt, außer sich sein hellblaues Oberhemd von der heißen Mittagssonne dunkelblau färben zu lassen. Die uritalienische Katastrophe sind geschlossene Bahnhofscafés, geschlossene Wartehallen (an der Einganstür zwei Schilder: Airconditioned & Closed), geschlossene Fahrkartenschalter und geschlossene Internetcafés auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die uritalienische Katastrophe ist nur auszuhalten, weil der verspätete Zug einen schließlich in die Toscana bringen wird, in der mit Siena und Florenz und Petroio gleich drei der weltschönsten Orte überhaupt liegen. Wunderbare Schätze der Menschheit. Also Schwamm drüber. Und das nächste Mal Bummelzug.

Wednesday, September 20, 2006

Alles hat ein Ende, nur der Urlaub hat zwei


Ich hatte mich bereits von und aus Barcelona verabschiedet und sitze nun doch wieder in demselben Internetcafé im Gothischen Viertel. Leider erwies sich nach einer sehr frühen Busfahrt zum Peripherieflughafen Girona, dass alle drei Ryanair-Morgenflüge wegen dichten Nebels gestrichen worden sind. Woraufhin sich die Urlauberhorden einmal quer durchs unklimatisierte Terminal in vier Schlangen aufstellen durften, um den weiteren Verlauf ihrer Reise zu klären. Als ich 70 Minuten lang in der Schlangenhölle Girona stand und den Kulturkampf zwischen deutschen und italienischen Passagieren beobachtete (bzw. in diesem mitmischte), sah ich meine sogenannte Urlaubserholung bereits wieder in Rauch aufgehen.

Gefangen in der Nebelhölle Girona, sagte ich mehrmals laut vor mir her, während die deutschen die italienischen Urlauber ermahnten, sich nicht vorzudrängeln, während die italienischen den deutschen Urlaubern rieten, sich erstmal geschmeidig zu machen (damit sie sich bequemer vorrempeln konnten). Obzwar ich mich seit Abschluss meiner Pubertät nicht mehr als einen sogenannten jähzornigen Menschen bezeichnen würde, hätte ich doch liebend gerne den einen oder anderen Zinedine-Zidane-Denkanstoß verteilt, beließ es aber dann doch dabei, einem schuldlosen Menschen ins Gesicht zu fassen. Die Schlange kam und kam nicht voran, und weil die Menschen so lange in ihr anstanden, mussten sie, als sie endlich am Zuge waren, diese unter dem größten Schweiße erarbeitete Vorsprechzeit auf das längste auskosten, so dass alle nachfolgenden Urlauber noch länger warten durften.

In der Hitzehölle des Terminals Girona trat bei vielen der mitgereisten Deutschen dann eine Läuterung und Katharsis ein, indem sie erkannten, dass die Billigreiserei - und i.w.S. die gesamte Billigheimerei - ein Irrweg sei, weil man für den geringeren Preis eben auch nur einen geringeren Service und eine geringe bis unvorhandene Kulanz erwarten konnte usw. usf. Ich stimmte zu und zog meine Lehren, so wie damals auf der Ilhabela vor Brasilien, wo ich nach der stundenlangen Folterung durch einen Gockel beschloss, nie wieder am falschen Ende bei der Unterkunft zu sparen.

Die Verfrachtung der Horden in der Gesamthölle Girona kumulierte zwischenzeitlich sogar in Tumulten um die korrekten Schlangenpositionierungen (leider kein Bildbeweis vorhanden). Am Ende bot man mir einen Flug nach Karlsruhe zwei Tage später an, oder eine lustige Kombination mit Nachtstopps in Dublin und Stockholm, allerdings auf eigene Kosten, als doch wieder nicht ganz so ulkig. Habe dem Treiben dann durch Umbuchung auf einen Abendflug nach Berlin mit einer anderen Linie ein Ende bereitet. Das Geld spare ich dann am richtigen Ende in Deutschland wieder ein, indem ich nur Gammelfleisch und Brot vom Vortag esse.

Immerhin ergab sich dadurch die Chance, den Mitreisenden B. zu treffen, der sich erst heute abend in die Fänge der Lowcost-Monster begeben wird.

PS: Das Bild hat übrigens mit der Geschichte nichts zu tun. Motiv: Britische Schnapsleichen in einer Geldautomatenkabine nahe der unteren Rambla. Fotograf: wie gehabt.

Fischkoepfe.



Boquerones sind kleine frittierte Fische. Sie kommen ohne Beilage, und wenn man sie am Schwanz packt und in frittiertem Zustand hochhebt, können sie wagerecht in der Luft stehen, so steif sind sie nach dem Fettbad. P., der normalerweise nichts anrührt, was einen höheren Fettgehalt hat als ein Knäckebrot, mag Boquerones. Er sagt, er fühle sich durch diese Fischchen an seine Südfrankreichurlaube mit seinen Eltern erinnert. Das mag sein. Es mag auch sein, dass er Recht hat, wenn er sagt, dass man diese Fische mit Flosse und Kopf und Wirbelsäule (Grätenhölle) isst. Abgesehen davon, dass der Gedanke, Fischaugen, Fischzähne, Fischhirn und Fischknochen zu verspeisen nicht zu meinen liebsten gehört, fällt mir jedes Mal, wenn P. Boquerones gegessen hat und der Teller danach leer ist, das vollkommen bestürzte Gesicht des Kellners oder der Kellnerin auf, die den Teller dann abräumen. Ich habe also mittlerweile Grund, an P. Boquerones-These zu zweifeln und mir Sorgen um seine Gesundheit zu machen.

Die Fische auf dem Bild sind keine Boquerones, die sind zu groß, passen in keine Friteuse, können nicht mit einem lustvollen Haps verspeist werden. Allerdings sind sie wieder einmal Beleg dafür, dass Menschen, die eine starke Bindung zu Tieren aufbauen, diesen Tieren mit der Zeit immer ähnlicher werden.

Tuesday, September 19, 2006

Sitges.



Ich stelle selten Bilder von mir selbst ins Netz, diesmal macht es jedoch Sinn. Ich will von einer kleinen Stadt berichten, die aus einem Fischerdorf gewachsen ist und gute zwanzig Kilometer von Barcelona entfernt in einer kleinen Bucht liegt. Dort gibt es eine Strandpromenade, eine alte Kirche, kleine, exklusive Geschäfte, sogar ein Museum im ehemaligen Wohnhaus des Malers Santiago Rusinol. Auf den ersten Blick alles ganz normal. Geht man aber die Strandpromenade entlang und sieht sich die Liegestuhlreihen etwas genauer an, fällt einem plötzlich eine Besonderheit auf, die Sitges berühmt gemacht hat. Diese Besonderheit ist auch der Grund, warum die Kneipen dort Dark Lane und Lovejuicer heißen und warum Pat und ich überlegt haben, dass es doch lustig haette sein koennen, Jens zu einem ausgedehnten Strandausflug nach Sitges einzuladen. Jedenfalls kamen wir uns mutig und unerschrocken vor, wähnten uns als freigeistige Helden, so wie wir da durch die engen Gassen von Sitges gelaufen sind, bis wir einen kleinen Jungen von vielleicht vier oder fünf Jahren gesehen haben, der frei an einer Mauer hängend demonstriert hat, was wirklicher Mut bedeutet.

Sunday, September 17, 2006

Plunging deep


Nach Ankunft in Barcelona befand ich mich in einer sogenannten Hochstimmung, falsch, einer Höchststimmung. Unsere Wohnung war charmant, das Viertel das angenehmste, vom Fenster aus sah ich auf einen Kirchplatz hinab, von unten Musik, an den Häuserfassaden turnten Harlekine, sogar aus Berlin erreichten mich versöhnliche Kurznachrichten. Für einige Stunden war ich euphorisch und belästigte den Mitreisenden B. dementsprechend mit meiner Höchstlaune. Dieser reagierte skeptisch, erstens weil es sich bei B. um einen grundsätzlich antizyklischen Menschen handelt, zweitens weil er noch in seiner Faultierphase (braucht 15 Stunden Schlaf pro Tag) befand.

Dann die zuvor von B. beschriebenen Ereignisse und Wendungen: verblüffende leere Altstadtgassen bereits um Mitternacht; Kampftänze mit orientalischen Jugendlichen um die eigenen Brieftaschen; B. im Schwitzkasten exotischer Dirnen; pöbelnde Menschen in den Kneipen; die tödliche Rambla; gewisse klempnerische Defizite im eigenen Bad; überhitzte Diskotheken usw. usf. Und auch der Harlekin fiel irgendwann vom Dach.

Leide also heute wieder an der Sonderspezies eines Barcelona-Katers. Soll vorkommen. Werde mich wieder berappeln.

B. macht das alles nichts aus. Er ist bereits ganz hibbelig, weil in ca. 14 Stunden die ersten Läden aufmachen.

Stimmungsbarometer



Barcelona.



Jens am Flughafen abgeliefert, vorher nochmal am Strand gewesen (Photo), unter der Hitze gelitten, jetzt in Barcelona angekommen. Appartment direkt in der Altstadt, 200m vom Picasso-Museum entfernt, vor dem heute bereits um 10 uhr morgens Unmengen von Touristen geduldig in Schlangen auf Einlass gewartet haben. Gestern Abend die Einwohner Barcelonas kennen gelernt. Drei lustige Spanier, die Patrick und mir beim kurzerhand aufgezwungenen Tanz durch eine enge Gasse die Geldbeutel klauen wollten. Hat nicht funktioniert, haben uns gewehrt und sind in eine Backpackerkneipe gefluechetet, in der uns fraenkische Kunststudenten mit ihrem Dialekt unterhalten haben. (Koennen die Franken wirklich kein T sprechen?) Spaeter auf der Rambla unfreiwillige Bekanntschaft mit ein paar zunaechst harmlos wirkenden Prostituierten, die mich so gern als Freier mitgenommen haetten, dass mich eine von ihnen mitten auf dem Gruenstreifen in den Schwitzkasten genommen hat (vor den Augen der Polizei). Musste mich da aber alleine rauswinden und war danach sauer. Die Rambla wird ab jetzt gemieden.



Stattdessen heute Kirchen angeschaut. Kosten nix, legen einem nicht ungefragt den Arm um den Hals, wollen nicht durch enge Gassen tanzen und dabei nach meinem Geldbeutel greifen. Lauter Vorteile. Heute Nachmittag mit Patrick in den Park.

Friday, September 15, 2006

Wieder in Valencia.



In Valencia angekommen, zum zweiten Mal, Dank P.´s Pfadfindernase. Wir haben ihn auf den Ruecksitz geschnallt und klare Anweisungen formuliert: auf schnellstem Weg raus aus Alicante, auf nicht weniger schnellem Weg zurueck ins schoene Valencia, zwischendurch nur eine kurze Pinkelpause. Das hat geklappt. Es war hoechste Zeit, aus Alicante zu fliehen, nachdem Jens waehrend des zweitaegigen Aufenthalts der einzige war, der dort etwas wirklich schoenes gesehen und photographiert hat.



In Valencia ein Hotel am Stadtrand, am Abend wieder Gang durch die Altstadt. Ich suche nach einem Eisverkaeufer, darauf P.: "Um Eisdielen solltest Du lieber einen grossen Bogen machen." Zur Strafe den restlichen Abend geschwiegen. Das kommt nicht besonders gut an, nachdem J. nur selten und obendrein ungern spricht, waehrend P. Schweigen nicht ertragen kann und deshalb die halbe Nacht Geschichten aus der Kindheit erzaehlen musste. Besonders schoen: D. und P. spielen Catchen. Oder: P. isst Pasta mit Tomatensosse (ist auch heute noch hinreissend anzusehen). In der Nacht dann: fast durch Klimaanlage erfroren. Am Morgen von J. geweckt, der sich die Nase schnaeuzt, als gelte es, durch besonders kraeftiges Schnaeuben die gesamte Nachbarschaft vom eigenen Unglueck (Heuschnupfen) in Kenntnis zu setzen. Waere danach beinahe wieder eingeschlafen, waere nicht P. singend aus dem Bad gekommen. Textauszug: "Benno, Benno, Benno." WG jetzt und in Zukunft mit beiden voellig unmoeglich. Beide bemaengeln mein grosses Schlafbeduerfnis, liegen dann aber den gesamten Tag ueber traege wie zwei Seehunde am Strand, antriebslos, waehrend es eine aufregende Stadt zu entdecken gaebe. Nach dem Mittagessen dann beiden die Meinung gegeigt und das Resultat photographiert:

Wednesday, September 13, 2006

Als alles noch gut war.



Valencia. Hotel Reina Victoria. Sehr zu empfehlen.

Alicante...



...liegt hinter dieser Milchglasfensterscheibe. Mehr will ich von Alicante nicht zeigen. Alicante hat einen Altstadtkern, man kann ihn in genau zehn Minuten ablaufen. Der Rest von Alicante ist scheußlich. Zu scheußlich, um gezeigt zu werden. Höchstens kurz beschrieben: zwanzigstöckige Betonsärge auf einer braunverbrannten Hügellandschaft in zufälliger Anordnung. Stadtautobahnen, die sich in Schleifen um diese Wohnsärge legen. Wer Dietzenbach gesehen hat, kennt auch Alicante. Alicante ist verloren. Alicante ist nicht mehr zu retten. Alicante ist für immer entstellt. Für die Suche nach den Verantwortlichen für diese Stadtkatastrophe bleibt keine Zeit. Morgen Abreise. Deshalb: bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Tuesday, September 12, 2006

Einer ist immer der Wasserträger.

Einfahrt nach Valencia.



Ein erster Eindruck: turmhohe Betonsärge nach 225 Kilometern Autofahrt. Jens hat mittags im Auto ein Bier getrunken, Patrick nicht. Die spanische Landschaft wie schon in Andalusien vor zwei Jahren: karg. Ödland, aber Jens mit der These: bald schon werde man kostengünstig Süß- aus Salzwasser gewinnen können und flächendeckend begrünen, ganzjährig einfach das gute Wetter genießen. Zur Siestazeit durch die Wohngebiete Valencias auf der Suche nach der Altstadt. Müssen nach dem Weg fragen. Patricks Spanisch klingt hervorragend, trotzdem antworten die Spanier auf Englisch. Ist mir so ähnlich passiert, vor Jahren in Mailand, als ich Emily aus Idaho mit meinen Fremdsprachenkenntnissen beeindrucken wollte. Nach ein paar Umwegen schließlich das Hotel. Schmucke Fassade, HRS-Schnäppchen, an der Wand ein Bild von König Juan Carlos mit einer persönlichen Danksagung. Das Zimmer mit hoher Decke und Stuck, fliedergelbe Wände, einem Doppel- und einem Beistellbett (Jens). Am Nachmittag Rundgang durch die Altstadt. Noch immer Siestazeit, niemand auf der Straße.


Monday, September 11, 2006

Kapitulation vor dem Fortschritt

Auftakt zur Spanienreise, erster Stopp: Valencia. Wir reisen in der selben Konstellation der großen Brasilienrundfahrt (satte 500km Luftlinie) von 2001. Wir wollen uns neu erfinden, sind aber noch dieselben. Auf eine Transkription der Gespräche zum Beweis wird verzichtet. Nur die Ansprüche haben sich weiter von der Realität entfernt. Mit gesenktem Haupte sitzen wir in einer Zukunftsvision (Bild) und planen die nächsten Tage. Wir werden in sogenannte malerische Orte und sogenannte lebhafte Städte fahren. Von der als solche bezeichneten "Küstenstraße" 332 südwärts grüßen rechts karge Gebirgskämme, links die Architekturhölle Costa Blanca: Definition eines historischen Irrtums.

Seit dem durchaus bemerkenswerten Hinflug mit Ryanair bemüht sich der Mitreisende B. hektisch um eine alternative Zugroute für seinen Rückweg.