Tuesday, June 24, 2008

Elvis lebt in Tokyo


Ihara lebt in Tokyo. Er ist ein kleiner Angestellter eines großen japanischen Konzerns. Wochentags fährt er jeden Morgen mit der übervollen U-Bahn in die Innenstadt. Das dauert eine Stunde, Ihara lebt in den Außenbezirken auf 20qm zusammen mit seiner Mutter. Meist bekommt Ihara in der U-Bahn keinen Sitzplatz mehr, was ihn aber nicht davon abhält, an eine der Haltestangen gelehnt ein Nickerchen zu machen. Die Erkennungsmelodie der Station, an der er aussteigen muss, weckt ihn, die vom Band laufende Stimme warnt ihn vor der Bahnsteigkante und wünscht ihm einen erfreulichen Tag. Im Großraumbüro angekommen, setzt er sich an seinen Schreibtisch und bearbeitet Akten. Ganz vorne im Raum sitzt mit dem Blick auf die Mitarbeiterschar sein Vorgesetzter, dem keine Fremdbeschäftigung entgeht. Nach Feierabend gehen die Mitarbeiter seiner Abteilung in eine der vielen Bars in der Nähe des Firmengebäudes. Ihara ist müde und würde lieber nach Hause fahren, weil seine Kollegen und vor allem sein Vorgesetzter dies aber als rüde empfinden würden, ist er bisher jedes Mal mitgekommen. Gemeinsames Trinken nach Feierabend fördert den Zusammenhalt. Wenn Ihara endlich zu Hause ankommt, fällt er ins Bett. So vergehen der Montag, der Dienstag, der Mittwoch, der Donnerstag und auch ein Großteil des Freitags. Am Freitagabend aber spürt Ihara auf der Rückfahrt in seinen Bezirk, wie sich Vorfreude in ihm ausbreitet. Sein Fuß wippt schon im Takt der Melodie, die nur in seinem Kopf zu hören ist. Zu Hause angekommen, geht er zielstrebig zu seinem Kleiderschrank und holt seinen Samstagsanzug heraus. Er säubert ihn sorgfältig, drapiert ihn auf dem Stuhl neben seinem Bett, legt Haargel und Kunstkotletten dazu. Das Einschlafen fällt ihm heute nicht leicht – seine Beine kribbeln.

Am nächsten Morgen beginnt Ihara sofort mit der Vorbereitung. Der Anzug wird angelegt, die Kotletten aufgeklebt, die Haare mit viel Gel und Geduld in Form gebracht. Zufrieden betrachtet Ihara sich im Spiegel. Um das gemeinsame Frühstück mit seiner Mutter kommt er trotzdem nicht herum, bevor er sich auf den Weg zur U-Bahn macht. In Harajuku angekommen, schiebt er sich mit der Menschenmasse aus der Station und überquert einen Platz, auf dem er bekannte Gesichter sieht. Yohei steht mit seinem „Free hugs“-Schild am Rand und grinst in die Kameras der Touristen, Junko und Haruka zupfen an ihren viktorianischen Kleidchen und drehen sich ihre pinken und blauen Zöpfe um die Finger, Tomoko balanciert auf offenbar neuen blauen Plateauschuhen und streichelt die Pandamütze auf ihrem Kopf, und Masao hat der Zuschauerschar seinen Rücken zugewandt und spielt gewohnt gedankenverloren Luftgitarre zu Stings „Fields of gold“. Ihara hat keine Zeit für ein Schwätzchen, er hört die Musikfetzen vom Parkeingang herüberschallen. Je näher er kommt, desto schneller läuft er. Aus der Entfernung sieht er, dass schon alle da sind: Hiroshi, der Barbesitzer und Familienvater, Takuya, der Fischhändler, Daiiki, der noch zur Schule geht, Yutaka, Tadashi, Isamu und die anderen. Wie verabredet heute alle in schwarzer Lederkluft. Sie grooven bereits, was die Hüften hergeben. Und endlich ist auch Ihara angekommen, ruft eine aufgeregte Begrüßung in die Runde, übertönt von der laut aufgedrehten Musik aus Hiroshis Beatbox, streift ungeduldig seine Lederjacke ab, wirft sie auf den Asphalt und beginnt zu tanzen. Er tanzt mit Leidenschaft, er tanzt gut, er tanzt gemeinsam mit seinen Freuden, er tanzt sich die Eintönigkeit seines Alltags vom Leib, tanzt über sie hinweg, er tanzt und tanzt und tanzt, heute darf er es, heute kann er es, heute ist er Elvis, und mit Elvis zusammen singt er: „Lets rock, everybody, lets rock/ everybody in the whole cell block/ Was dancin’ to the jailhouse rock”!

Friday, June 20, 2008

Heimwehtourist.


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Der Stadtplan deutet an: Hausnummer 22 Ecke Kirschallee, Hausnummer 2 Ecke Menzelstraße. Willy Cohn hat also direkt gegenüber gewohnt, Hausnummer 17. Kann man Nachbarschaft dazu sagen? Gibt es ein Wort fürs Gegenüberwohnen? Irgendwann sind beide umgezogen. Willy Cohn in die Opitzstraße, Lauterbachs vom Haus mit der Nummer 2 ins Haus mit der Nummer 20.



Eine kleinere Wohnung, die Söhne waren aus dem Haus, lebten in Thorn und Berlin, der Vater im Zwangsruhestand. Das Geld wurde knapp, die Photos aus der Wohnung in der Wölflstraße 20 zeigen viel zu große Möbel auf viel zu engem Raum. Toni erinnert sich nur an die Wohnung in der Wölflstraße 2. Sie sagt: „Eine sehr geräumige Wohnung mit großem Balkon. Es muss ein Eckhaus sein, aus rotem Backstein. Steht da überhaupt noch ein Haus? Es ist doch im Süden.“ Es steht noch. Hans Poelzig hat es entworfen. Die linke Pocztowa hat sich von zwei Häusern nicht getrennt, hat sie aufgehoben: Hausnummern 2 und 20, ausgerechnet. Dazwischen zieht sich heute ein Plattenbau die Straße entlang. Die rechte Pocztowa hingegen hat mehr aufgehoben, 15, 17, 19, alle noch da. Obwohl die Russen von Süden aus in die Stadt kamen und am Reichspräsidentenplatz ins Stocken gerieten. Der Reichspräsidentenplatz, auf dem Willy Cohn nach Spaziergängen zum Ohlauufer Verschnaufpausen einlegte, sich auf den Parkbänken ausruhte, bis man Schilder anbrachte: Für Juden verboten. Bis er in die Opitzstraße zog. Wann aber sind Lauterbachs von der 2 in die 20 gezogen? Toni sagt: „Das weiß ich nicht. Ich war doch schon längst in Palästina.“ Im Brief von Amandus an die Universität von 1937 steht noch Wölflstraße 2, im Adressbuch Breslaus von 1941 dann Wölflstraße 20. Genau wie auf der Rückseite des Photos, das im Hintergrund das Barockgebäude des Oberbergamtes zeigt.



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Andere Photos zeigen groß gewachsene Söhne lächelnd auf der Kirschallee. Dort, im Wasserturm, der heute ein Edelrestaurant beherbergt, gab es schon damals ein Aussichtslokal mit Blick über die Stadt. So steht es im Woerl Reisehandbuch Breslau von 1926. Besonderheit: Touristen fuhren im elektrischen Aufzug nach oben.


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Ein paar Kilometer südwärts, am Ende der Kaiser-Wilhelm-Straße, das Gebäude der Schlesischen Funkstunde. Geburt des Hörspiels unter Friedrich Bischoff. „Hallo: Hier Welle Erdball!“



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In der Pocztowa spielen auch heute noch Kinder, warum auch nicht? Abgesehen vom fehlenden Erker am Haus mit der Nummer 20, stimmen Fenster, Stockwerke und Eingangstür genau mit dem Haus auf dem Photo überein. Ist das jetzt beruhigend? Ist das überhaupt wichtig? Gibt es einen Grund für Recherchetourismus? Ich höre tief in mich hinein.

Thursday, June 19, 2008

Feucht-fröhlich auf Thai


Mit wollenen Ringelsocken, Mütze und mehreren Schichten Jacken sitze ich bibbernd und Füße reibend auf einem Metallstuhl am Gate, während Jan unter dem Handtrocknegerät der Männertoilette sein nasses Shirt fönt. Draußen sind es weit über 30 Grad. Die anwachsende Schar wartender Japaner, uniformistisch gekleidet und in unkritisierbar korrekter Haltung, ignoriert großzügig meinen lächerlichen Anblick. Der japanische Reisende verfügt offenbar über eine konstant hohe Körperwärme. Warten auf den Flug nach Tokyo im stilistisch wie temperaturtechnisch unterkühlten Megaflughafen Bangkok.

Heute feiert Thailand Neujahr: gut getroffen? Ja: Aus den Riesenwasserpistolen junger Thais, die dicht gedrängt auf der Ladefläche von Pickups hängen und Passanten und Kontrahenten kreischend unter Wasser setzen. Gut getroffen auch aus den Wasserschläuchen der Angestellten, die vor Praxis- und Ladeneingängen auf neue Opfer warten. Aus den bunten Plastikeimern der Kinder, die sie auf vorbeifahrende Autos, in offen stehende Bustüren oder – am liebsten! – in den Fahrgastraum vollbesetzter Tuktuks, der Motorradrikschas entleeren. Dieses Treiben beobachten wir schon auf den ersten Metern Richtung Silom Road. Dort, so wurde uns empfohlen, könne man die Zeit bis zum Weiterflug überbrücken. Wir freuen uns angesichts des offensichtlich hohen Spaßfaktors dieser Art der Silvesterfeierlichkeit: Feucht-fröhlich auf Thai. Im Getümmel dürfen wir dann feststellen, dass auch bepackten Touristen keine Gnade gewährt wird. Schon ziemlich durchnässt, stoßen wir zwischen Hochhäusern schließlich auf den ersten Tempel, der mit disneyhafter Farbigkeit und einem Geruchsnebel aus Blüten und Räucherstäbchen seinen Teil zur Sinne verwirrenden Atmosphäre der Stadt beisteuert. Doch bevor wir ihn betreten können, lernen wir einen zweiten Neujahrsbrauch kennen: Grinsende Thais bestreichen unser Gesicht mit einer weißen, kreideschlammartigen Substanz. Eine besonders spaßige Feiertagspraxis, die uns verwirrt: In Thailand, so lasen wir in unserem Reiseführer, sollte man Berührungen des Gesichts eines Gegenübers unbedingt vermeiden, da sie als beleidigend empfunden werden. Dort stand nicht: Kleiden Sie sich an Neujahr bitte wasserfest. Wir werden ihn wohl im nächsten Wasserbottich versenken. Auf dem Rückweg zum Flughafen im barbiepinken Taxi reinigen wir uns notdürftig. Nach einem halben Tag auf Reisen sehen wir aus, als wären wir schon Monate unterwegs.

Tuesday, June 17, 2008

Stonetown

dies Haus steht festgebunden an einer Laterne
hängt auf der Leine ein giftgrüner Mantel?
in den Wurf Krähen bröselt Zement-Schrift

Elfenbeinfarbe, arabische Ziffern, Gewürz-
Nelken, Einschusslöcher, Atoll
die Fingerkuppen des Sultans wühlen in Safran
ein Preußisches Kater-Blau, nackter Sklave
sein Lungen-Exkrement

dies Haus steht festgebunden an anderen Häusern
an Hauskanten, Hausflächen, die sich jetzt auftun
da liegt dann plötzlich der Ozean, ein Tierrücken

dessen Flosse ein leichtes Segel ist

Am Rande: Moskau - Bischkek

Ein trippelndes Mädchen, zwei Puter unter den Armen, schlängelt sich durch das Drehkreuz. Ihre Hände sind lädiert, sonst ist sie weiß, schmal, trägt die Schulterblätter aufgestellt. Der Zopf schwingt seidenbandartig über den Rücken. Ein Flughafenbeamter hält ihr die Glastür auf, nickt den Ansatz einer Verbeugung.

Zwischen den Säulen des Opernhauses der Körper einer Krähe. Der halb geöffnete Schnabel, von Fliegen blinde Augenhöhlen. Zündelnd das Überhängsel eines kleinen, matschigen Organs. Blut flammt den milchigen Wundsaft. Ein Flügel hängt lose am Leib, wie abgelegt, verbrannt.

Koken hat Seeblick und das Dach voller Dörrobst, Apfelscheiben, Pflaumenleiber. Ihre Hände sind kürbiskrautgroß und von der Wallnussernte schwarz. Koken schlurft mit ihren Filzfüßen durch den Garten, zum Waschhaus, in die Küche, zum Wassereimer am Birnenbaum, dann das schreiende Telefon. Der Eisenhörer liegt ihm schwer auf der Brust, blasses Grün, 1937. Koken hebt ab mit beiden Händen, singt kurz in den Hörer, leuchtet, hängt das Monstrum scheppernd ein. Die Küchentür fährt in den Angeln zusammen.

die gemeinte stadt

kann doch nicht so tun als seist du nicht gemeint stadt
voll schnitte: film und fluss und im wind die sirenen

meinst du stadt dich selbst jemals eigentlich
zug um zug um zug dir zwischen den beinen

versteht dich kein mensch bist doch kein mensch 
ich dachte stadtlyrik sei erledigt seit den bomben

täler bist du scherst dich um schnitte nicht die wir so basteln
ach was sag ich basteln ich zimmer mir eine dreckige taube

eine minderheit zug um zug um zug diese stadt ist 
sirene und odysseus und woody allens brille in einem

und alles was ich meine macht mich mürbe vor unbestimmtheit
und alles was ich meine mache ich in dieser stadt bestimmt

immer als heimkehrer
immer als durchschnitt

und odysseus muss eh für jeden scheiß halten warum also nicht
für dich stadt mit gärten auf dächern in denen dächer wachsen

kann doch nicht so tun als seist du wirklich gemeint stadt
voll schritte durch film über fluss und im wind bald der abschied voll hölderlin und aspirin

Thursday, June 12, 2008

baires che Randnotiz

Jedes Mal wenn ich in Ezeiza, Flughafen Buenos Aires, aussteige, möchte ich gerne „danke“ sagen. Einfach. Irgend jemandem. Nicht laut. Gerne leise. Dem Polizeibeamten in schwarzer Uniform. Dem Café-Mädchen mit Service-Haube. Dem Taxifahrer mit weißem Knitterhemdrücken. Fänd er komisch. Also lass ich das. Denk es laut. Schick es den Dingen, die vor dem Taxifenster vorbeirauschen. Wir Richtung Zentrum. Taxi, Fahrer, ich.
buenos aires. plaza san martín. 2008


buenos aires. san telmo. 2004


buenos aires. plaza dorrego. 2004

baires che Randnotiz

Auf dem Weg zu Dir. Bleibt unklar. Wer Du bist. Du. Die Stadt. Oder die Stadt Du. Ist beides. Ist Eins. Ist Du und Du und da will ich hin. Deshalb. Ich bin. Hier. In Buenos Aires. Bei Dir.

argentinien. 2007

baires che Randnotiz

Orangen. Hier, schau, ganz echt von. Kleinen Orangenbäumen gefallen in. Kleine Straßen inmitten. Der Stadt. Buenos Aires und ich. Hab sie noch nie gehört. Fallen und Aufschlagen auf. Heißem Asphalt. Liegen so viele. Orangen auf heißem Asphalt. Den Straßen, den Gehwegen, mitten, im Zentrum, drinmitten, aufgeplatzt, weggekickt, plattgefahren, angeschnuppert, hinterher ge kullert, saftig, triefend, außen grau, innen O und ich vor Bäumen. Stehen geblieben. Warte auf. Wie hört sich das an? Stell ich mir vor während. Dessen eine vorbei rollt. Fruchtball des Alltags versetzt mich in. Staunen.


buenos aires. la boca. 2004

Sunday, June 08, 2008

Wien (Weltrauchen, Teil 2)



Kiosk gibt es nicht. In Wien kauft man Zigaretten in einer Trafik, wobei man, bitte, die letzte Silbe betont.

Trafik gibt es nicht. Zumindest die eine, meine, unsere Tabaktrafik in Glanzing. Jedes Mal, wenn ich nach Wien komme, frage ich meine Mutter: "Gibt es schon einen neuen Inhaber?"

Gibt es nicht.


"Bitte zwei Packerl Marlboro", sagte ich als kleiner Junge.
"Grüße an den Vater", sagte Herr N. freundlich.
Das Wechselgeld durfte ich immer behalten. Der alte Herr N., der seufzend seine Beinprothese hin- und herzog, war für mich der Inbegriff eines österreichischen Trafikanten. Seit jeher, schon bald nach Erlass des Tabakmonopols durch Josef II., wurden Kriegsversehrte und schuldlos verarmte Beamte bei der Vergabe von Tabakverkaufsbewilligungen bevorzugt. Eines Tages war Herr N. nicht mehr da.

"Bitte ein Packerl Marlboro Lights", sagte ich als Zivildiener.
(Zivildienstleistender gibt es nicht.)
"Grüße an die Mutter", sagte Herr H. freundlich.
Das Wechselgeld durfte ich immer behalten, meine Zigaretten bezahlte ich aus eigener Tasche. Herr H. war ein regelrechter Charmeur, der seine weibliche Kundschaft mit Komplimenten überhäufte und den kleinbürgerlichen Alltag der Glanzinger Damen ein wenig aufzuhellen schien. Er war eine Generation jünger als sein Vorgänger und aus diesem Grund vom Krieg verschont geblieben. Eines Tages war Herr H. auch nicht mehr da.

"Bitte ein Packerl rote Gauloises", würde ich heute gerne zu Herrn N., Herrn H., oder zu wem auch immer sagen, nur steht die Glanzinger Trafik leer. Sogar der altbewährte Zigarettenautomat wurde entfernt, der Abdruck an der Außenfassade stimmt wehmütig. Das Ende einer Ära.

In Deutschland wundere ich mich immer, dass in jeder Kneipe ein Zigarettenautomat herumsteht und dass Tabakwaren regulär an Tankstellen oder im Supermarkt erhältlich sind. In Österreich dürfen Zigaretten zum regulären Preis ausschließlich in Tabaktrafiken ausgegeben werden, auch einen Automaten findet man, wenn man einen findet, nur in der Nähe einer Trafik. Kauft man Zigaretten an der Tankstelle oder im Restaurant, wird ein saftiger Aufschlag fällig. Eine Trafik ist also notwendig, um den menschlichen Grundbedarf an Zigaretten zu decken. Darüber hinaus erhält man in einer Tabaktrafik auch Zeitungen, Zeitschriften, Schreibwaren, Fahrscheine, Parkscheine, Lottoscheine, Briefmarken, Brieflose und Rubbellose. Ohne Trafik hat man demnach ein empfindliches Infrastrukturproblem.


Ein Profiteur findet sich immer: In Glanzing ist es die sogenannte "Kondi", eine heruntergekommene Konditorei, die sich in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Trafik befindet und seit Jahrzehnten verrauchten, vertrockneten Kuchen sowie schlechten Kaffee verkauft. Da es in Glanzing weit und breit keine andere Tabaktrafik gibt, wurde dieser Konditorei vor kurzem das Recht eingeräumt, Zigaretten zu Trafikpreisen zu verkaufen, anstatt von Amts wegen darauf zu drängen, die eine, meine, unsere Trafik neu zu verpachten! Ich fahre lieber drei Stationen Bus oder fünf Minuten Fahrrad oder eine Minute Auto, als einen Fuß in diese verrauchte "Kondi" zu setzen, um dort Zigaretten zu kaufen.

Kairo (Off Topic)



ich erschlug
eine küchenschabe
mit dem koran
u. kam
mir so poetisch vor
den insektenrest
wischte ich
mit klopapier
vom grünen buch





Kairo (Weltrauchen, Teil 1)



mit dem jungen
auf der brücke
nach mohandiseen
rauche ich
cleopatra lights
ein zug
gehört dem nil
das war der deal






Wenn einer keine Reisen tut, hat er nichts zu erzählen. Also müssen eine vor Jahren getätigte Reise und ein während dieser vor Jahren getätigten Reise geschriebenes Gedicht herhalten, um den Grundstein für eine großzügig angelegte Serie zu legen, die in unregelmäßigen Abständen auf Weltwohnen erscheinen wird: Weltrauchen (oder: La Fumée mondiale) huldigt, wie der Name schon sagt, dem Kulturgut Tabak und dessen unterschiedlichen Ausformungen an verschiedenen Orten der Welt. Diese Huldigung ist zugleich ein Abgesang, die wehleidige Klage eines Weltrauchers über die fortschreitende Entzauberung und den unabwendbaren Untergang des geliebten Suchtmittels im 21. Jahrhundert.

Eine Anmerkung zur fünften Zeile des Gedichts: Diese Zigarettenmarke gibt es wirklich, ehrlich.