Thursday, October 25, 2007

Domwe

Licht-Brösel
ins Wasser gestreut, das fasernde Seegras

ein reihergleicher Vogel (barockschön)
bethront eine Boje

jetzt plustert sich der Wasser-
Rand, Kopf eines klumpigen Tieres
(der durchaus auch schön ist)

Trübung der Wasserfarben, des ausgewundeten Auges?

eine Welle fällt vom Ufer und zurück
Fisch-Splitter, deine ziselierte, sich verlierende Spur

Wednesday, October 24, 2007

Tote Blätter & Prückelstrafe



M. und ich sitzen in der Sehnsuchtsmaschine Auto, ein Begriff, den wir auf der Autobahnraststätte Mondsee für uns geprägt haben, bei der ersten Melange nach Überschreiten der österreichischen Grenze. Der vernebelte Mondsee hat uns melancholisch gestimmt, die Verbesserung von Mitteleuropa scheint unmöglich. Wir befahren den Höhepunkt jeder Reise nach Wien, das heruntergekommene Stück Westautobahn mitten im Wienerwald, zwischen Pressbaum und der Hauptstadt. Platzregen setzt ein. Wir hören Yves Montand, Les feuilles mortes, auf Kassette, eine Live-Aufnahme, volle Lautstärke. Die Weltbühnenarbeiter schieben prächtige Herbstkulissen an uns vorbei und werden verlässlich dafür sorgen, dass all die gelben und roten und braunen Blätter an den Bäumen bald tot sein werden. Bitte noch einmal, noch einmal, kreischt M., als der tosende Applaus abklingt, und spult zurück zu der Stelle, wo eine männliche Stimme aus dem Publikum das soeben gehörte Lied einfordert, und Yves Montand sagt trocken: Ja. Platzregen setzt aus. Runterschalten, vierter Gang. Die Autobahn mündet im Stadtverkehr, ohne Abfahrt. Abbremsen, dritter Gang. Dann die erste Ampel seit vielen Stunden, rot. Die Sehnsuchtsmaschine bleibt stehen.

Am nächsten Tag genieße ich die lang ersehnte Café Prückelstrafe. Wo in der Welt könnte man schöner schlecht behandelt werden als in einem Wiener Kaffeehaus?

Wednesday, October 17, 2007

Marfa

wie sie über der Hüfte ihr Rock-Tuch festzurrt
zieht zu enger werdenden Kreisen
sich, eine Winde, schräg in die Luft stellt

wie sie so zum Stehen kommt, ragt ihr Gesicht
in die Grenze zwischen zwei Ton-Feldern

sie hält dort lange still : nichts an ihr flirrt
(wie Narzissen flirren)
kurz aber leuchtet sie auf

hält dann die Hand ihrem Mund an
geschnittenes Blatt

unverbundene Ränder

Paje

durchs Strandbild läuft gerade eine Bordüre
kopflose, ineinander verzerrte Rinder
scheren die eben noch auswachsende Weißweide
den eben noch Blauanstrich :

er verweigert sich zunehmend den Blicken
lagert sich möglicherweise ein in den Rändern
(ist möglicherweise im Begriff dies zu tun)

die Touristen hängen den Rindern an
wie und nicht nur wie einer Erscheinung

wahrscheinlich lichtete sich jetzt, lägen nicht Dhaus
im (wäre es) Wasser, etwas Geheimnisloses

(wie Schnee-Sporn)

Monday, October 15, 2007

Lagos, immer wieder Lagos

Seitdem ich beruflich nach Lagos reise, sagt die Wettervorhersage immer dasselbe:

Geändert haben sich dagegen die Einreisebestimmungen. Um den großen Massen Herr zu werden, die in Nigeria Urlaub machen oder in die sozialen Sicherungssysteme einwandern möchten, hat der Staat ein zentralisiertes Online-Visumsantragssystem eingerichtet. Dieses System eignet sich zwar sehr gut zur Belastung der eigenen Kreditkarte, deutlich weniger gut aber für den Erhalt eines Visums. Daher sind nun in meiner Firma drei Mitarbeiter einen halben Tag lang damit befasst, die technischen Voraussetzungen zu erfüllen, um den Antrag gegen den erbitterten Widerstand des Systems abzuschicken. Ebensoviele Leute sind wiederum in der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria damit befasst, die Angaben des ausgedruckten Online-Antragsformulars in das alte Offline-Formular zu übertragen, damit er bearbeitet werden kann. Und wiederum drei Leute sind im Flughafen Lagos damit ausgelastet, meinen Reisepass bzw. den darin enthaltenen Visumsaufkleber zu analysieren und abzustempeln.

Halny (Krakau)



Auf dem Parkett liegt ein eingetrocknetes Blatt, von dem ich erst dachte, es sei eine winzige Kröte. Seine Ränder sind nach innen gewölbt, als habe es sich zusammenziehen wollen, um sich auf diese Weise fortzubewegen und sei dann in dieser Bewegung erstarrt. Eine eigenartige Form herbstlicher Schwüle liegt im Zimmer. Die Bäume draußen biegen sich unter starkem Wind, den man kaum hört.

Ich wechsle meine Bettbezüge und sehe, dass ich die ganze Zeit auf einem Tigerkopfkissen geschlafen habe. Der Tigerkopf, grob gedruckt in braun-weiß, befindet sich nicht auf dem Kissenbezug, sondern auf dem Kissen selbst. Im Hintergrund des Tigerkopfes riesige Palmen, Farne und die Andeutung eines weiteren Tigers. Darauf habe ich geschlafen. Leicht und weiß kreisen ein zwei Gedanken immer wieder um meine Stirn, wie Fliegen.

Es sind Fliegen.

Draußen durchziehen Magnetfelder die Luft, einander anziehende, einander abstoßende. Der Wind hat genau dieselbe Temperatur wie seine Umgebung. Meine Haut, unter dünner Kleidung, ist elektrisch aufgeladen. Halny. Fallwind von der Tatra. Macht alle verrückt, ohne dass sie es bemerken. Es sind Haarrisse von Verrücktheit, die sich durchs Hirn ziehen.

Die Frau, die das Holz stapelt, drüben am Pferdehof, ich sehe sie zum ersten Mal. An der Längsseite des Stalls stapelt sie kleingeschlagenes Holz. Sie läuft in kleinen, schnellen Schritten hin und her zwischen einem großen Haufen Holz und dem Stall. Ihre Kittelschürze, ihr großer Pullover und ihr lose hochgestecktes Haar wehen im Wind. Sie ist alt. Sie singt und spricht vor sich her, und das wird alles vom Wind sofort weggenommen.

Halny ist aufsässig. Aber nichts geht an ihn verloren. Dadurch ist die Luft so dicht. Das Licht ist weich und trüb in den Wind integriert.

Von allen Richtungen fliegen Blätter auf mich zu. Sie bleiben um mich herum liegen, auch auf mir; an meinem Pullover kleben schon vier. Sie sind klein und trocken; sobald ich sie anfasse, fallen sie auseinander.

Die alte Frau hat immer nur einen Holzscheit in die Hand genommen. Sie ging mit dem Holzscheit zur Wand. Das Holz war schon hoch aufgestapelt. Ein Fenster des Stalls war bereits zur Hälfte dahinter verschwunden. Sie musste sich recken, um den Scheit oben auf legen zu können.

Sie erzählte mir etwas, über den Zaun hinweg, als ich vorbeiging, auf dem Weg zum Park. Ich verstand ja nichts. Ich sagte tak tak und sie lächelte mir freundlich zu, erzählte weiter, sang, nahm den nächsten Scheit.

Das Tigerkopfkissen liegt jetzt im Schrank unter den Handtüchern.

Halny dauert meist nur einen Tag, selten zwei.

Transliteration (Krakau - Ukraine)


In kyrillischen Schriftzeichen hinterließ L., die ukrainische Übersetzerin, hoch und biegsam, eine Nachricht auf einem Zettel, an die Spüle gelehnt, mit zwei Ausrufungs­zeichen. Keiner transliterierte diese Nachricht.

Manchmal, wenn L. in Musik gekleidet am Abend in der Küche steht, sehr dünne, feste Zigaretten raucht, Marke Iris, und ihre enge helle Kleidung trägt, ist sie schön, geheimnisvoll und jung. Dann unterhält sie sich in ukrainisch mit Tania und Andrej, sie läuft umher, holt aus dem Schrank ukrainischen Schnaps, schüttet ihn in einen Topf und zündet ihn an. Beim Reden lacht sie hin und wieder, aus dem Schnapstopf flammt es blau und gelb. Der ukrainische Wodka ist ausgetrunken. Mirek hatte ihn mit Wasser abgelöscht. Der georgische Wodka von Ambrosi ist auch nicht schlecht. Dog in the fog ist süßes trübes Kopfschmerzbier.

Manchmal, wenn L. in ihrem Jogginganzug am Tag in die düstere Küche tritt, um sich einen Tee zu machen, ist sie ein alter, ausgedünnter Geist, der seine Energie in einer Hand zu tragen scheint wie eine Waffe, die gerade nicht benutzt wird, aber jederzeit einsatzbereit ist. Ihre Arme hängen herab, nur ihre Augen bewegen sich, wie die einer Eule, in den Höhlen hin und her.

Faltenlose, weiße L.

Wednesday, October 10, 2007

Nkhata Bay

Rinden-Striche in Kies, Naht
tiefe Blattkurven, -Narben
Gewölbe eines Bootes

die schale Farbschicht
wirft Schrift-Risse
anbei befaulte Palmbank
Absteg zum See

der Nacht-Flucht der Mango
reift (unbestimmtes) Licht nach

Cape McLear

die ebenmäßigen Fische
werfen jetzt kleinere Scharten
ins Schilf-Licht, fast nichts
übersehbare Echsen divers
in Holz skizziert :
unberingte, unberindete Masken

die Zeichnung des Nachtwächters
kippt aus dem Rahmen, stutzt
surrt, ein vielleicht Generator, moskitohaft an