Thursday, November 22, 2007

Jessica in Venedig.











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Im Rahmen der ersten Weltwohnen-Lesung fand Ende September ein Schreib-Workshop mit Schülern statt. Im Wallsaal der alten Stadtbibliothek haben Schüler Reiseberichte verfasst. Einige der tollen Ergebnisse kann man nachlesen unter www.workshop-literatur.de. Einen dieser Texte gibt es jetzt auch hier. Wir reisen nach Venedig zusammen mit Jessica:

„Mama, wie lange dauert es noch?“ Diese Frage hören wir jetzt schon zum vierten Mal. Wir sind um neun Uhr in Tignale, unserem Ferienort, losgefahren und nun schon seit knapp zwei Stunden unterwegs. Es ist etwas ganz besonderes. Endlich fahre ich in die Stadt, in die ich seit Cornelia Funke´s „Herr der Diebe“ schon immer mal wollte: Venedig. Noch eine halbe Stunde. Ich überlege wie es dort wohl sein wird. Sind dort wirklich so viele Tauben wie die Leute immer sagen?
11.45 Uhr, Venedig. Jetzt sind wir endlich da. Die Sonne knallt mir auf den Rücken und meine Schwester steht genauso erstaunt wie ich neben mir. All diese kleinen Gassen und Brücken. Trotz zuvor gekauftem Stadtplan haben wir keine Ahnung, wie wir zum Markusplatz kommen. Mein Vater, der sowieso schon genervt ist, weil er sein Auto unabgeschlossen in einem viel zu teuren Parkhaus abstellen musste, trottet mürrisch hinter uns her. Ich wünschte, ich hätte mehr als nur vier Stunden Zeit. All diese schönen Kirchen, Museen und Plätze. Céline und ich schaffen es, uns kurz von Mama und Papa abzusetzen und besichtigen ganz alleine eine Kirche. Da wir beide nur Tops anhaben, müssen wir uns Tücher an der Kasse leihen und überziehen. Den Sinn dahinter haben wir zwar nicht ganz verstanden, aber Hauptsache wir können uns die Kirche angucken. Gold und Stuck soweit das Auge reicht. Die Chiesa Santa Maria Formosa ist nicht besonders groß aber wunderschön. Dafür, dass Venedig so überfüllt ist, ist „Santa Maria“ erstaunlich leer. Gerade mal zehn Besucher sind hier. Ein Mann fällt mir und meiner Schwester sofort auf. Er trägt ziemlich zerschlissene Kleidung und steht ganz alleine vor einem riesigen Berg aus Kerzen. Da wir beide kein Italienisch können, verstehen wir nicht was er sagt, aber wir verstehen, dass es für ihn sehr wichtig ist. In seiner linken Hand hält er das Bild einer jungen Frau, die nicht älter als 30 sein kann. Wir wissen nicht warum, aber so schön und atemberaubend die Chiesa Santa Maria auch ist, der Mann mit dem Photo geht uns als Einziges nicht mehr aus dem Kopf.

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