Thursday, January 18, 2007

Delirieren ist besser als Vegetieren


Schon wieder auf dem Sprung zurück aus Dar. Die letzten Tage waren im allgemeinen sehr schön, insoweit ich das durch das Hotelfenster begutachten konnte, denn für mich im speziellen waren sie geprägt von einem einheimischen Mix aus Bakterien, Amöben, Salmonellen (beispielhaft siehe oben; Alternativen hier)., so dass ich eigentlich überwiegend nur liegen und die Welt verfluchen konnte. In Momenten wie diesen, in denen einem alle weltlichen Freuden genommen sind, fällt einem schnell wieder ein, warum man das Reisen in diese Gebiete eigentlich sein lassen wollte.

Erinnerungen an Weihnachten in Simbabwe 2004 und die nachfolgenden Tage des Deliriums wurden wach. Damals hatte ich an den Fluch Mugabes geglaubt, weil ich meinen Aufenthaltstitel gefälscht hatte. Und auch diesmal verstand ich meine Erkrankung natürlich als Strafe für begangene Schuld. Natürlich habe ich wieder gesündigt. Natürlich habe ich dem 72-seitigen „Health“-Teil des Lonely Planet wieder nicht detailliert Folge geleistet und nicht jedes Salatblatt unter dem Steak weggezogen, nicht jeden Eiswürfel purifiziert, mich nicht gegen Meningokokken-Enzephalitis geimpft und sogar einen einheimischen Bockseintopf (aka Knochen im Hautmantel in Pampe) genossen. Und natürlich musste ich dafür leiden.

Zwischenzeitlich hatte ich mich zum Arzt schleppen könnnen, der mir nach mannigfaltigen Untersuchungen bescheinigte, dass ich nicht log („No, really, there is definitely something going on“), und mich dann auf eine Selbstheilung durch den tatsächlich im Hotel empfänglichen Sender ZDF eingelassen. Dadurch kenne ich nun einige neue Fernsehserien und Wintersportler und den Orkan. Und weiß, dass die Nachrichtensprecherin des Morgenmagazins alle halbe Stunde mit einem anderen neckischen Spruch das Wort an den Wetteransager übergibt. Was ungefähr so lustig ist, als wenn einem jemand mit der Jagdpfeife ins Ohr bläst.

Auf die Zuschaltung der Webcam habe ich aufgrund der geringen Dynamik meiner Aktivität verzichtet. Stattdessen telefonierte ich mit zuhause und beklagte mich über mein Befinden, woraufhin mich meine Gesprächspartner bemitleideten und ihrerseits von ihren gerade (bzw. immer noch nicht) ausgestandenen Leiden usw. erzählten. Nachher kam auf ZDF eine sogenannte Doku-Fiktion über das Jahr 2030. Und für einen Moment fühlte ich mich, als sei ich schon da, auch wenn ich nicht wie die anderen Greise in stillgelegten Theaterhallen campierte, sondern im Royal Palm Moevenpick, was in meinem spezifischen Elend allerdings auch keine Erleichterung war. Denn wenn man erstmal vor sich hin vegetiert, wird einem natürlich sofort bewusst, dass das Delirieren, das man zuvor als das schlimmste empfunden hatte, eigentlich das angenehmste ist, zumindest gegen das Vegetieren.

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In der Abflughalle des Airport Dar es Salaam (die nicht klimatisiert war, worunter ich zusammen mit den anderen Pensionären sehr litt), schrieb ich diese Zeilen und sandte sie in den Äther, der sie aber ignorierte, daher kommen sie nun aus Berlin. Nach einem sehr langen Reisetag bin ich gerade noch rechtzeitig vor Eintreffen des großen Orkans über Amsterdam hierher zurückgekehrt. Wenige Stunden später begannen sie die Flüge zu streichen. In Amsterdam konnte ich vor Seitenwind schon nur erheblich schwankend einsteigen. Meinen Koffer erhielt ich komplett durchweicht zurück, was mich ebenfalls sehr deprimiert hat. Und dann hatte auch noch Ede kapituliert, und überall waren Kommentatoren und Experten, denen lange Geiferfäden aus den Mäulern hingen.

Après nous le déluge.

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