Sunday, December 16, 2007

Das Dorf ist nicht im Tag (Günthersleben/Thüringen)

Im alten Dorf stehen die alten Häuser. In ihren Höfen kreischen Kreissägen. Immer zerschneiden die Menschen etwas und das Kreissägengeräusch zerschneidet die Luft, weshalb nichts Ganzes mehr ist im Dorf. Auch das Dorf ist zerschnitten, in ein altes und ein neues Dorf. Im alten Dorf wohnen die alten, im neuen Dorf die neuen Menschen. Das Dorf ist voller zerteilter Wünsche. Im neuen Dorf werden Rasenmäher über alles Grüne geführt. Die Wünsche die dort ganz geblieben sind, werden hier gemäht. Und hinter den Zäunen auf langsam trocknende Haufen geworfen.

Abends um Acht ist der Tag fünfzehn Minuten im Fernsehen. Der Tag ist In- und Ausland, allein ein Drittel des Tages besteht aus Sport und Wetter. Das Dorf ist nicht im Tag.

In der Nacht zersurren im neuen Dorf die Glühbirnen der Straßenlampen die Luft, sie springen rosa an wenn es noch hell ist und werden bald darauf neonweiß. Sie machen ein Geräusch wie winzige Rasenmäher. Das alte Dorf liegt im gelben Licht alter Laternen. Diese Laternen sind still. Dafür bellen in den Gehöften die Hunde.

Die Wünsche Wintergarten und Fußbodenheizung haben keine Reihenfolge. Unsere Nachbarn und ihre beiden Wünsche führen mit Vater über den Zaun hinweg ein Gespräch. Der Zaun teilt unsere Gärten, die Reihenfolge der Fruchtwechsel jedoch ist gleich. An den Abbruchkanten der Beete war das Wetter lange nicht so gut.

Bei Westwind kann man die Autobahn hören. Nachts klingt sie wie das Meer. Anders als die vierzig Pappeln, die sich hinter unserem Haus aufreihen. Wie große betrunkene Männer schwanken sie im Wind und rauschen auch. Aber sie klingen nur nach Pappeln.

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